HPU und Porphyrinopathien
Erworbene Porphyrinopathien sind verbreiteter als bislang angenommen. Die stress-induzierte Form, HPU, findet man bei 1 von 10 Frauen.
Was wissen wir von nicht-akuten Porphyrien?
Einleitung
HPU gehört zu den sogenannten Porphyrinopathien, das sind Störungen des Porphyrin-Stoffwechsels. Diese Porphyrinopathien waren besser nachweisbar als die Mayo-Kliniken - die sich auf diese Krankheit spezialisiert haben - einige neue, sehr empfindliche Blutzell-Porphyrin-Enzymtests einführten (Morton, 1995). Deren Anwendung und unsere HPU-Tests zeigen, dass Porphyrien offensichtlich nicht, wie nach Messung von Porphyrinen im Urin angenommen, sehr seltene Krankheiten sind mit einen Prävalenz von 1:10.000, sondern sehr häufig auftreten mit einen Prävalenz von 1:20; das ist 1 :10 bei Frauen. Es wurde beobachtet, daß Porphyrien entgegen der klassischen Auffassung eher milde und chronische Verläufe haben können.
Porphyrien treten auf bei Enzymstörungen im Zusammenhang mit der Synthese des Häm, des eisenhaltigen Anteils des Hämoglobins. Die Störungen können an einem oder mehreren von acht beteiligten Enzymen auftreten. Bei angeborenen Porphyrien ist in der Regel nur ein einziges Enzym gestört. Die blockierte Hämsynthese stört zahlreiche Prozesse, die Häm und Hämoglobin einsetzen (Donnay, 1995).
Hierzu gehören das Sauerstoff-Transportsystem, das Hämoglobin zum Transport des Sauerstoffs von der Lunge zu den Körperorganen benutzt, das Cytochrom-P450 Enzymsystem, das Häm zur Entgiftung in der Leber benutzt und die Bildung von Muskeln. Im Gegensatz zu anderen angeborenen Stoffwechselstörungen zeigen sich Porphyrien oft erst im Erwachsenenalter (Anderson, 1992).
Wenn der Stoffwechselpfad für die Hämsynthese blockiert ist, reichern sich nicht-verstoffwechselte Porphyrine in bestimmten Organen an. Hier können sie toxische Effekte haben, die sich durch Symptome im zentralen, peripheren oder vegetativen Nervensystem und/oder an der Haut zeigen. Die beim Übergang vom latenten ins manifeste Stadium auftretenden Symptome werden ausgelöst durch Licht, Infektionen, Stress, porphyrogene Medikamente und Chemikalien. Diese scheinen das mangelhafte Enzymsystem endgültig zu überfordern.
Die Symptome beruhen auf der Blockade des Porphyrin-Stoffwechsels und der Anreicherung von Porphyrinen in bestimmten Organen, nicht dagegen auf toxischen Konzentrationen der porphyrinogenen Substanzen (Morton, 1995).
Der Schweregrad der Störung kann weit variieren. Die Symptome liegen meist im psychischen beziehungsweise neuropsychiatrischen Bereich.
Nachweisbar sind Porphyrien bei akuten Anfällen durch die Anreicherung von Porphyrinen oder Porphyrin-Vorstufen - vor allem Delta-Aminolävulinsäure (Delta-ALA) sowie Porphobilinogen (PBG) - in Blut, Stuhl oder Urin oder durch die veränderte Aktivität von Enzymen des Porphyrin-Stoffwechsels.
Bei durch verschiedene Krankheiten, Medikamente oder Chemikalien erworbenen Störungen der Hämsynthese spricht man rein beschreibend von Porphyrinurien, unabhängig davon, ob angeborene Enzymdefekte vorliegen. Die früher häufigste erworbene beziehungsweise symptomatische Porphyrinurie war bedingt durch Bleivergiftugung (Valentin, 1979).
Porphyrien und Porphyrinurien werden zusammenfassend Porphyrinopathien genannt. Porphyrien sind seit den 20er Jahren bekannt und werden in der von der WHO herausgegebenen International Classification of Diseases (ICD 9) unter der Nummer 277.1 aufgeführt.
Die folgende Aussagen sind wichtig, um den Effekt von HPU auf die Gesundheit begreifen zu können:
- Delta-ALA, das erste Zwischenprodukt der Hämsynthese, hemmt sowohl cholinerge als auch GABA-Synapsen und blockiert den exzitorischen Neurotransmitter Glutaminsäure (Buscher).
- Schädigungen des Porphyrin-Stoffwechsels beeinträchtigen die Funktion der Mitochondrien und damit die Energieversorgung der Zellen (Heuser).
- Patienten mit angeborener Porphyrie haben in der Regel nur einen Defekt in einem Enzym, wahrend bei HPU-Patienten mehrere Enzymdefekte vorliegen, aber die Enzymsystemen sind niemals völlig blockiert (Kamsteeg, Ziem).
- Die Mayo-Laboratorien führen über 10.000 Porphyrin-Tests pro Jahr durch und haben aufgrund Ihrer Daten den Erwartungsbereich für Testergebnisse sehr viel genauer fassen können (Baker). Die KEAC-Laboratorien führen über 4.000 HPU-Tests pro Jahr durch.
- Delta-ALA ist hochgradig neurotoxisch. Die ALA-Synthese sei der erste und wachstumbegrenzende Schritt der Hämsynthese. Verschiedene (nach Wilson über 3.700 kommerziell verfügbare) porphyrogene Chemikalien können direkt oder indirekt durch Hämabbau die Produktion von Delta-ALA-Synthase, dem ALA bildenden Enzym, und damit auch Delta-ALA anregen. Veränderungen der Hämsynthese hätten zum Beispiel Auswirkungen auf Blutzucker, Hormone, Fettsäuren, antioxidative Enzyme und Aminosäuren, vor allem aber auch das für die Entgiftung wichtige Cytochrom-P450-System (Duehring, 1996).
- Eine durch Delta-ALA stimulierte erhöhte Porphyrin-Produktion kann viele biologische Wirkungen haben. Porphyrine binden zum Beispiel an periphere Benzodiazepin-Rezeptoren in Außenmembranen der Mitochondrien, was den Zellstoffwechsel stören können (Verma, 1988).
- Manche Menschen scheinen eine erhöhte Durchlässingkeit der Blut-Hirn-Schranke für Delta-ALA aufzuweisen, was toxische Prozesse beschleunige (Buzzi, 1995).
- Die Enpfindlichkeit gegenüber ALA kann bei Menschen stark variieren (Thunell, 1995).
- Delta-ALA kann neurogene Entzündung durch Stimulierung der Ausschüttung erregender Aminosäuren fördern (Meggs, 1995).
- Delta-ALA kann Erregungs-Toxizität (excitotoxity, neuer Erklärungsansatz für die Huntingtonische Krankheit) des Gehirns durch überschüssige erregende Aminosäuren auslösen (Dawson, 1995), was Übererregung in beliebigen Teilen des Gehirns fördere.
- Delta-ALA ähnele in der Struktur stärk dem hemmenden Neurotransmitter GABA und der erregenden Aminosäure Glutaminsäure, was zu Neurotransmitter-Störungen mit vielfältigen Auswirkungen führen können. So werden neurastenische Wirkungen oft auf Störungen der GABA-Synapsen zurückgeführt (Corrigan, 1994).
Bekannte und angenommene porphyrogene Substanzen
Dannay und Ziem nennen eine Reihe von bekannten oder vermuteten porphyrogenen Substanzen (Wilson, 1996), von denen hier einige genannt werden sollen:
- Chemikalien:
Aluminium und seine Verbindungen, Atrazin, Blei, Carbaryl, Chlordan, Chloroform, DDT und seine Stoffwechselprodukte, Dibenzofuran, Dieldrin, Endosulfan, Ethanol (alkohol), Ethylenoxid, Hexachlorbenzol, Kadmium, Lindan, Parathion, Pentachlorphenol (PCB), Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pyrethroide, Quecksilber und seine Verbindungen, Styrol, 2,3,7,8,-Tetrachlordibenzo-p-Dioxin (TCDD), Trichlorphenol und Vinylchlorid. - Medikamente:
Amitriptylin, Barbiturate, Carbamazepin, Diazepam, Griseofulvin, Halothan, Imipramin, Isoniazid, Meprobamat, Metamphetamin, Östrogene, Oxazepam, Progesteron, Quecksilber-Verbindungen, Sulfonamide-Antibiotika und Tetracycline.
Symptome
Akute angeborene Porphyrien zeigen immer neurologische Symptome aus dem zentralen, peripheren oder vegetativen Bereich. Auch bei nicht-akuten Porphyrien können Symptome auftreten wie: Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen, verstärktes Schwitzen, hoher Blutdruck, Herzrasen, Anfälle, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Schwäche, Muskel- und Gelenkschmerzen, unsicherer Gang, Pricklen in Armen und Beinen, periodisch auftretendes Fieber, Hautprobleme.
Literatur
- Anderson, K.E. (1992) The porphyrias. In: Wijngaarden, Smith, Bennett, Cecil Textbook of medicine (19th edition), W.B. Saunders, Philadelphia.
- Buzzi, M.G. (1993) Neurogenic model of migraine. Cephalalgia 15, 277-280.
- Duehring, C. (1996) Toward a unifying metabolic factor for MCS. Our Toxic Times, March 1996. 15-24.
- Morton, W.E. (1995) Redefinition of abnormal susceptibility to environmental chemicals. Paper at the second International Congress on Hazordous Waste, Atlanta.
- Valentin, H. (1979) Arbeitsmedizin Band 2: Berufskrankheiten, 2e Auflage, Thieme, Stuttgart.
Nach einem Orginalarbeit von W. Maschewsky, Zeitung für Umweltmedizin 4, 102-107 (1996).